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"Ökonomen sind Gläubige"

Wirtschaftswissenschaftler sollten die Finger von Prognosen lassen, sagt Professor Karl-Heinz Brodbeck. Die Vorhersagen sind meist falsch, weil das Leben keine Maschine und die Ökonomie keine exakte Wissenschaft sei. Ergebnisse "wie beim Würfeln"
Interview HENDRIK LEBUHN

taz: Seit Jahren prophezeien Ökonomen, Wirtschaftsweise und Forschungsinstitute den kommenden Aufschwung in Deutschland. Doch heute werden sie ihre Prognosen wieder einmal nach unten korrigieren. Obwohl die Experten ständig irren, schenkt ihnen die Öffentlichkeit viel Vertrauen. Warum?

Karl-Heinz Brodbeck: Tatsächlich hält sich hartnäckig der Glaube, die Wissenschaft der Ökonomie könne das Wirtschaftsgeschehen berechnen. Und das trotz der teilweise horrenden Prognosefehler. Man stelle sich solche Irrtümer in der Naturwissenschaft vor. Zum Beispiel einen Ingenieur, der sagt: Entschuldigung, ich habe die Belastbarkeit der Brücke um 50 Prozent überschätzt.

Man würde ihn wohl rausschmeißen …

Das wäre wohl das Mindeste. Bei Ökonomen bleiben Irrtümer dagegen ohne Folgen - obwohl ihre Prognosen die Zins-, Steuer- oder Sozialpolitik beeinflussen, wird von ihnen nie Schadenersatz für Fehleinschätzungen verlangt. Ich habe mal den Vorschlag gemacht, prognostizierende Ökonomen nach der Treffsicherheit ihrer Vorhersagen zu bezahlen.

Mochten Ihre Kollegen den Vorschlag?

Nein. Denn sie wissen, dass sie laufend daneben liegen. Dennoch hören sie mit dem Vorhersagen nicht auf. Ökonomen sind Gläubige.

Was heißt das?

Sie glauben, eine exakte Wissenschaft zu betreiben. Ökonomen halten die Wirtschaft für eine Maschine, deren Verhalten man exakt vorhersagen kann - wenn man nur das richtige mathematische Modell hat. Die Maschinen-Analogie zeigt sich in der Metapher des "Konjunkturmotors", der immer mal "stottert", dann aber wieder "an Fahrt gewinnt". Ökonomen glauben an die Berechenbarkeit der Wirtschaft, an eine ökonomische Mechanik.

Manchmal liegen sie mit ihren Vorhersagen aber auch richtig.

Natürlich. Das ist wie beim Würfeln. Statistisch gesehen ist es extrem unwahrscheinlich, dass alle Prognosen immer falsch sind.

Ist die Ökonomie nicht doch ein System mit festgeschriebenen Regeln?

Sie ist aber kein mechanisches System. Wir können in der Wirtschaft Wachstum dadurch erklären, dass jährlich eine bestimmte Masse von neuen Produkten, neuen Ideen auf den Markt kommt. Um sich im Wettbewerb Vorteile zu verschaffen, müssen Unternehmen Unerwartetes tun, neue Produkte einführen oder veränderte Strategien fahren. Sie müssen, kurz gesagt, kreativ sein. Wer kreativ ist, der schafft Unsicherheit - für seine Wettbewerber. Wettbewerb bedeutet also die permanente Produktion von Unsicherheit, von Überraschung.

Aber die Wirtschaft ist doch kein zufälliges hektisches Auf und Ab. Wachstumsraten springen nicht zwischen plus 20 und minus 20 Prozent hin und her. Es gibt langfristige und kurzfristige Trends.

Ich muss meine Behauptung differenzieren: Man kann das Verhalten von Wirtschaftssubjekten recht gut prognostizieren, wenn es von stabilen Gewohnheiten geprägt ist. Wenn die Erwartungen sich nicht ändern, wenn die Rahmenbedingungen stabil sind, dann existiert ein Trend. Und dann kann man auch gute Prognosen machen: In den Neunzigerjahren zum Beispiel hatte jeder Recht, der steigende Aktienkurse vorhersagte - ganz gleich, welches Modell seiner Prognose zugrunde lag. Was die Ökonomie nicht kann, ist das eigentlich Interessante: herauszufinden, wann Trendbrüche kommen.

Ihrer Meinung nach tun Ökonomen nichts als herrschende Trends fortzuschreiben?

Eigentlich ja. Praktisch läuft das so: Zunächst arbeitet man mit sehr komplexen Modellen. Aus diesen Modellen ergeben sich irgendwelche Prognosewerte. Unterschiedliche Modelle bringen unterschiedliche Ergebnisse. Und diese Ergebnisse prüft man anschließend auf - wie es so schön heißt - Plausibilität. Das heißt: Nachdem man gerechnet hat, setzt man sich zusammen und bespricht, welches der Ergebnisse überhaupt stimmen könnte. Das ist absurd.

Was ist der Maßstab für die Plausibilitätsprüfung?

Der gesunde Menschenverstand des Ökonomen. Am Ende entscheidet der Bauch.

taz Nr. 7187 vom 21.10.2003, Seite 9, 141 Zeilen (Interview), HENDRIK LEBUHN

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