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Beete auf der Brache
Mitten in Los Angeles haben Mexikaner illegale Gärten angelegt - die Stadt kündigt die Räumung an
VON HENRIK LEBUHN

Letzte Ernte in Los Angeles? (ap)
Eigentlich hat Pedro Barrera kaum einen Grund zum Lachen. Dennoch kann sich der gebürtige Mexikaner ein Schmunzeln nicht verkneifen, als er auf die reifen Bananenstauden in seinem Garten zeigt. "Die haben wir vor ein paar Jahren aus Mexiko mitgebracht. Illegal natürlich." Barrera steht mitten auf einer riesigen Industriebrache, die sich in den vergangenen Jahren in eine üppige Grünfläche verwandelt hat. Direkt hinter ihm blitzt die Skyline von Los Angeles durch dichte Blätter. Der Kontrast zwischen der grünen Oase und den verspiegelten Wolkenkratzern könnte größer kaum sein.

Doch Barrera wird das Lachen bald vergehen. Die 14 Hektar Brachland, die er gemeinsam mit über tausend anderen Migranten mitten im Zentrum der kalifornischen Millionenstadt bewirtschaftet, werden vielleicht schon bald wieder einer Betonwüste gleichen. Demnächst soll hier mit dem Bau von Lagerhallen begonnen werden. Wenn nicht noch ein Wunder passiert. Aber daran arbeitet Barrera im Moment mindestens ebenso eifrig wie an seinem Garten. Vielleicht ist er deswegen so guter Dinge.

Zurzeit wird die riesige Fläche in South Central L.A. von 347 Familien bewirtschaftet. Die meisten von ihnen kommen aus den verschiedensten Regionen Lateinamerikas und sind illegal in den Vereinigten Staaten. Sie nennen sich: Campesinos del Centro Sur. Seit die Stadt ihnen mit einer Räumung droht, treffen sie sich regelmäßig in den Seminarräumen der öffentlichen Bibliothek von South Central und diskutieren, wie man sich gegen die Politik der Stadt am besten zur Wehr setzen soll. Barrera ist einer von vier Sprechern, die die Campesinos im Rahmen ihrer Selbstverwaltung für ein Jahr gewählt haben.

Pedro Barrera alias el Capitán steht in seinem Garten und zeigt mit ausgestrecktem Arm über das Gelände an der 41. Straße, Ecke Alameda. "Ziemlich genau zwölf Jahre ist es jetzt her, dass wir angefangen haben die Gärten anzulegen. Damals lag hier noch alles voller Schutt", erzählt er. Bis Anfang der 90er Jahre war das Gelände mit Lagerhallen bebaut. Gegen eine Entschädigung von 4,7 Millionen Dollar hatte die Stadt den Besitzer Mitte der 1980er Jahre enteignet und die Hallen dann abgerissen, um auf dem Gelände eine Müllverbrennungsanlage zu bauen. "Aber daraus ist nichts geworden", sagt Barrera. Zu heftig waren die Proteste der Anwohner und zu groß die Befürchtungen der Stadt, man könne im Elendsviertel South Central in ein Wespennest stechen.

Unruhen in South Central

Der vor allem von Schwarzen und Lateinamerikanern bewohnte Stadtteil am südlichen Rand des Financial Districts gilt als notorisch aufständisch. 1965 waren in South Central die Watts-Riots ausgebrochen. Die Verhaftung eines betrunkenen Autofahrers hatte damals bürgerkriegsähnliche Zustände ausgelöst. Polizei und National Guard brauchten sechs Tage, um den Aufstand niederzuschlagen. 34 Menschen wurden getötet, fast alle waren Schwarze. 1992, als der Bau der Mülldeponie anstand, kam es erneut zu schweren Unruhen. Ein kalifornisches Gericht hatte am 29. April 1992 mehrere Polizisten freigesprochen, die den Schwarzen Rodney King bei einer Verhaftung zusammengeprügelt hatten, während dieser wehrlos am Boden lag. Das Amateurvideo von dem Polizeiübergriff wurde von allen TV-Kanälen ausgestrahlt. Nach der Urteilsverkündung begannen in South Central die Ausschreitungen, die schnell auf andere Stadtteile übergriffen. In den Auseinandersetzungen kamen 50 Menschen um, 4000 wurden verletzt, der materielle Schaden belief sich auf mehr als eine Milliarde Dollar. 12 000 Personen wurden verhaftet. Vor diesem Hintergrund verzichtete die Stadt lieber auf den Bau der Mülldeponie.

Das Grundstück wurde zwischen verschiedenen Behörden hin- und hergeschoben und letztlich sich selbst überlassen. "Und jetzt sind wir hier", sagt el Capitán. Nach und nach sind die Familien auf die Brachfläche gekommen. Sie haben den Bauschutt abgeräumt, Parzellen eingeteilt und angefangen, die Erde zu bestellen. Die Los Angeles Food Bank, die das Gelände zur Zeit verwaltet, duldet die Gruppe inoffiziell. Einen offiziellen Anspruch auf die Nutzung der Fläche haben die Campesinos nicht, was ihnen nun nach zwölf Jahren zum Verhängnis wird.

Der ursprüngliche Besitzer, der Unternehmer Ralph Horowitz, hat sich im Zuge der Enteignung eine Rückkaufklausel einräumen lassen und will das Gelände nun wiederhaben. Doch die Campesinos wissen sich zu wehren: Sie demonstrieren, sammeln Unterschriften, betreiben eine eigene Website. Gerade erst hat der Schauspieler James Cromwell Solidaritätsgrüße geschickt. Den ersten Räumungstermin hat die Stadt am 27. Februar dieses Jahres verstreichen lassen. Am 16. März setzte ein Gericht die Räumung in erster Instanz aus, bis der Konflikt geklärt ist. Doch die Situation der Familien bleibt prekär, und ob der Widerspruch durchkommt, ist mehr als fraglich.

Die Gärten sind ein faszinierender Mikrokosmos lateinamerikanischer Biodiversität. Jede der 347 Familien scheint die typischen Pflanzen ihrer Heimat anzubauen. Neben Beeten mit traditionellen Heilkräutern aus dem mexikanischen Bundesstaat Veracruz finden sich die verschiedenen Gemüsesorten der Küstenregion El Salvadors. Auf der nächsten Parzelle experimentiert jemand mit der Kreuzung von Apfelsorten.


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Copyright © Frankfurter Rundschau online 2004
Dokument erstellt am 22.04.2004 um 17:49:15 Uhr
Erscheinungsdatum 23.04.2004

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